Völlig unspektakulär

Als geimpfter Mensch fühle ich mich irgendwie frei – und freue mich auf den 17. Juni.

Ausschnitt aus einem Impfausweis.

17. Juni: Dieses Datum trägt die Straße, die von der Berliner Siegessäule zum Brandenburger Tor führt. An dieses Datum werde ich sicherlich auch noch in der Zukunft denken. Ab dem 17. Juni gelte ich als Genesen und gegen Covid-19 geimpft. Das fühlt sich irgendwie ungewöhnlich frei an. Meinen Termin hatte ich am 2. Juni. Ich stellte – wieder einmal – fest: Impfen ist völlig unspektakulär. Und lustig ging es auch noch zu.

Es ist 10 Uhr morgens. Vor der Praxis meines Hausarztes wartet eine Gruppe Menschen. Jeweils acht Patienten dürfen hinein. Um die Abstände einzuhalten, stehen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Gegen 10.03 Uhr kommt meine Lieblings-Medizinische Fachangestellte heraus und nimmt uns in Empfang. Das alles wirkt wie ein freudiges Wiedersehen. Teilweise ist es wohl so, denn neben mir schnacken zwei Frauen ohne Unterlass.

Wir stehen artig in der Reihe vor der Praxistür, geben unsere Impfpässe und die Gesundheitskarte ab und werden auf die einzelnen Sprechzimmer verteilt. Meine Lieblings-Medizinische Fachangestellte, der ich in den vergangenen Jahren bereits mehrfach die Verlegenheitsröte ins Gesicht trieb, rauscht an mir vorbei. „Mensch“, sage ich, als sie auf meiner Höhe ist, „Frau S., Sie werden ja grau.“ Der Patient hinter mir grinst. „Sie sind ja charmant“, stellt er fest. „Mein Charme bewegt sich irgendwo zwischen Elefant und Holzhammer“, erwidere ich.

Kurze Zeit später werde ich von Frau S. in eines der Sprechzimmer geführt. „Machen Sie bitte Ihren Oberkörper frei. Frau Doktor kommt sofort“, bittet sie mich gewohnt höflich. Und zwischen Tür und Angel schiebt sie nach: „Ich habe morgen einen Friseurtermin.“ Wir beide lachen, denn zum Glück kennt sie mich und meinen bolzenhaften Charme schon etwas länger.

Entspannter Praxis-Morgen

Lachen ist überhaupt das Stichwort an diesem Morgen. So entspannt habe ich in den vergangenen Monaten weder die Kolleginnen meiner Lieblings-Medizinischen Fachangestellten noch die Patienten noch die Ärztin der Praxis selbst wahrgenommen. Das steckt an. Selbst die Plexiglasscheibe am Empfang, die bislang Praxis-Mitarbeitende und Patienten voneinander trennte, ist verschwunden.

Gewohnt zügig kommt die Ärztin ins Sprechzimmer. „Guten Tag Herr Buschmann“, begrüßt Sie mich mit einem offenen Lächeln. Sie schaut kurz auf ihre Unterlagen, freut sich mit mir, dass ich als Ex-Infizierter nur einen Pieks benötige und fragt noch: „Sind Sie Rechts- oder Linkshänder?“ Da ich als Kind „auf das liebe Händchen“, also rechts, getrimmt wurde, bekomme ich den kleinen Stich in den linken Oberarm – „falls eine Impfreaktion auftritt“, erklärt mir die Ärztin.

Nach zwei bis drei Minuten ist alles vorbei. Ich setze mich mit den anderen sieben Patienten noch 15 Minuten ins Wartezimmer. Das ist vorgeschrieben, falls einer die Impfung nicht verträgt. Eine der Kolleginnen meiner Lieblings-Medizinischen Fachangestellten kommt nach Ablauf der Zeit und fragt nach. Allen geht es gut, wir dürfen gehen.

Als ich meinen Impfpass ausgehändigt bekomme, witzele ich: „Oh, ich sehe blaue Einhörner.“ Die junge Dame muss lachen und entgegnet: „Och, solange es nur die sind.“ Das ist es dann auch schon – nach einer knappen Stunde bin ich wieder zu Hause. Ich freue mich, dass ich geimpft bin und erwarte den 17. Juni. Auch einfache Dinge können so schön sein.