Bettwäsche und Einhörner

Seit einem Jahr bestimmen Videokonferenzen unser aller Leben – manch ein Hintergrund und plötzlich auftauchende Kinder erlauben interessante Einblicke ins Privatleben

Eine Walfluke an einem Fluss.

App hochgefahren, Kamera an, gerade hinsetzen – es ist mal wieder Zeit für eine Videokonferenz. Was sich vor einem Jahr kaum einer vorstellen konnte, ist inzwischen Alltag. Unternehmen halten ihre täglichen Meetings nicht im Konferenzraum ab, sondern vor Kamera und Bildschirm. Im Privatleben ist es ähnlich: Geschäftsstellen verwaisen, weil sich die Vorstände nur online treffen können.

Diese Form des Zusammenkommens ist anstrengend, keine Frage. Aber es gibt auch hier die andere Seite der Medaille: Je nachdem, wo die Teilnehmenden ihren Rechner oder ihr Tablet stehen haben, bieten sich überaus interessante Einblicke ins Privatleben. Spätestens jetzt weiß ich, welche Bettwäsche die engagierte Kollegin aus dem Kirchenvorstand bevorzugt. Ihr Rechner steht nämlich im Schlafzimmer.

Und dann ist da noch der überaus liebenswürdige Kollege, der zur wöchentlichen Videokonferenz stets die Jalousien herunterlässt. Eine Lamelle hat ihre besten Tage bereits hinter sich. Übrigens ist eben dieser liebe Kollege ein echter Musikfanatiker. Jede Woche stellt er einen anderen Vinylschatz auf das Regal über ihm. Die andere Kollegin vom Berufsverband hat es wohl auch mit Noten und Harmonien – allerdings mehr auf dem Cello.

Videokonferenzen 2021: Sie sorgen nicht nur durch die Hintergründe für bislang nicht gekannte Einblicke. Die Kinder, die bei geschlossenen Schulen und Kitas zwangsläufig zu Hause betreut werden müssen, tun ein Übrigens – zum Beispiel der Sohn der Berliner Kollegin: In der vergangenen Woche präsentierte er sein Lego-Raumschiff, in dieser Woche war es das gemalte Einhorn.

Da wünscht sich die Mama von der Spree garantiert das, was der Göttergatte einer geschätzten Kollegin neulich anstellte: Unvermittelt hielt er einen frischen Brownie in die Webcam. Logisch, dass alle anderen spontan Appetit bekamen.

Übrigens geht es nicht nur den Menschen auf meinem Bildschirm so. Auch ich werde nach Details aus meinem Hintergrund gefragt; vor allem, wenn ich im Wohnzimmer sitze und meine LP-Sammlung zu sehen ist. An meinem regulären Büroplatz hingegen scheint die Sonne zu doll in meine Kamera. Deshalb habe ich mir jetzt eines meiner Archivfotos als virtuellen Hintergrund in meine App geladen. Das Motiv: eine Walfluke vom Vegesacker Weserufer. Unseren Gemeindepastor veranlasste der Anblick übrigens in der aktuellen Kirchenvorstandssitzung zur Feststellung, dass es aussieht als ob ich Segelohren habe.