Das Brotmesser auf der Baustelle

Manche handwerkliche Tricks sind wirklich erstaunlich.

Ein Brotmesser liegt auf einem Holzbrett.

Ich bekomme einen neuen Vermieter. Zwar hat es noch keine Schlüsselübergabe gegeben, doch der neue Vermieter macht sich schon seit einiger Woche an die Renovierung der Souterrain-Wohnung. Jede freie Minute sind er, seine Frau und die Kinder vor Ort: Sie streichen, mauern, bohren und isolieren.
Vergangene Woche war ich auf dem Weg zu einem Lokaltermin, als ich quasi im Vorbeigehen eine Lektion in Sachen Tricks auf dem Bau bekam. „Sag Mama Bescheid, dass sie ein Brotmesser mitbringt“, rief mein neuer Vermieter – übrigens ein sehr netter Mensch – seinem Sohn zu. Ein Brotmesser auf der Baustelle? Wollen die da unten Brotzeit machen? Ich schaute meinen neuen Vermieter etwas sprachlos an.

„Brotmesser eignen sich zum Zuschneiden von Holzwolle am besten“, erklärte er mir mit einem breiten Grinsen. Das macht mein neuer Vermieter so: Er misst die Breite der jeweils benötigten Bahnen aus und schneidet diese dann in noch aufgerolltem Zustand zurecht. Das leuchtete mir ein. Mein neuer Vermieter fuhr fort: „Dann lässt sich die Holzwolle viel besser verarbeiten.“ Auch das leuchtete mir ein.

Auf dem Weg zu meinem Lokaltermin hatte ich Zeit, über die Holzwolle und das Brotmesser nachzudenken. Ich erinnerte mich an den Um- und Ausbau meines Elternhauses in den 70er- und 80er-Jahren. Mein Vater und ich verarbeiteten kiloweise Glaswolle – zum Beispiel beim Bau meines neuen Zimmers. „Pass auf, dass Du das Zeug nicht auf die Haut bekommst. Das juckt!“, warnte mein Vater mich ein ums andere Mal.

Flusen überall

Wie recht er doch haben sollte. Ich konnte mich noch so schützen, wie ich wollte, einige Flusen setzten sich doch in der Nase, auf der Haut unter dem T-Shirt und in den Haaren fest. Da half auch intensives Duschen nicht, es juckte am ganzen Körper. Als wir nach getaner Arbeit an einem Sonnabend zusammen in unserem Wohnzimmer saßen, kratzten Papa und ich uns um die Wette. Mit dem Genuss von „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell war es vorbei. Meine Mutter war nach einer gefühlten Stunde so genervt, dass sie sich erst mal in unsere Hausbar setzte und las.

Ob so etwas wohl auch meinem neuen Vermieter und seiner Familie passieren wird?, fragte ich mich während der Fahrt zum Lokaltermin. Bei der Rückkehr stellte ich bewundernd fest, dass die komplette Holzwolle bereits verarbeitet war. Mehr noch, die Wand war mit einer Platte verkleidet. Ich erzählte die Geschichte, die ich einst mit Glaswolle erlebt hatte. Mein neuer Vermieter musste lachen. „Ja, das kenne ich auch noch“, sagte er, „deshalb mache ich es ja mit dem Brotmesser.“

Mal sehen, ob er auch noch lacht, wenn er das Dach neu isolieren will. Dann muss mein neuer Vermieter genauso über Kopf stehen, wie ich im zarten Alter von zwölf Jahren. Wenn es bei ihm juckt, weiß ich schon, was ich ihm gebe – das, was mir auch geholfen hat und was ich bis heute benutze: Körperlotion für Babies.