Schützenfeste fordern den ganzen Journalisten

Wenn wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre keine Schützenfeste stattfinden können, wollen an einem Wochenende alle Vereine – das ist für uns Journalisten Schwerstarbeit.

Meine ersten Erfahrungen mit Schützenfesten habe ich Anfang der 1990er-Jahre gemacht. Ich hatte gerade als kleiner freier Mitarbeiter bei der BLV-Wochenzeitung angefangen, als mich meine damalige Redaktionsleiterin förmlich shanghaite. „Ulf“, fragte sie mich, „gehören die Schützenfeste eigentlich zum Landessportbund?“ Ich antwortete treudoof-ehrlich: „Ja, wegen der Sportschützen. Schießen ist ja eine olympische Sportart.“ Je mehr ich darüber sprach, desto breiter grinste meine Redaktionsleiterin. „Gut, dann machst Du die Schützenfeste.“

Von Juni bis August war ich fortan in den Jahren 1991, 1992 und teilweise 1993 damit beschäftigt, Texte für die Anzeigenkollektive zu schreiben und die Fotos dazu zu organisieren. Schützenfeste waren zu dieser Zeit noch eine recht große Nummer im Kalender – und Verlag sowie die Medienberater verdienten sich angesichts des riesigen Anzeigenvolumens eine goldene Nase. Doch damit war es längst nicht getan. Wir berichteten natürlich auch über jedes einzelne Schützenfest. Damals schon gab es unter Lokaljournalisten einen Running Gag: Wir nehmen den Text vom Vorjahr und tauschen lediglich die Namen aus. Der Ablauf ist nämlich immer der gleiche.

Genau dieser Umstand erwies sich später nicht nur als Fluch, sondern auch als Segen: Wenn ich von einer meiner Lokalredaktionen mit einem Schützenfest betraut wurde, konnte ich diesen Termin praktisch im Schlaf besetzen und schreiben. Aber im Laufe der 1990er- und 2000er-Jahre fand dieser Teil des Lokaljournalismus gar nicht mehr statt – nicht nur, weil ich mich beruflich weiterentwickelt habe. Schützenfeste in der Stadt interessieren die Leute nicht mehr; entsprechend klein fallen diese aus.

Invasion der Sonderseiten

Bis Anfang vergangener Woche dachte ich: Schützenfest-Sonderseiten sind aus meinem Berufsleben verschwunden. Aber ich hatte nicht mit der Corona-Pandemie gerechnet. Das Virus hatte dafür gesorgt, dass die Feste in den vergangenen zwei Jahren ausfielen. Aber jetzt dürfen die Schützen wieder. Im Gegensatz zur Stadt sind Schützenfeste in den kleinen Städten und Dörfern durchaus noch ein gesellschaftliches Ereignis – mit Sonderseiten wie einst in meinen Anfängen als freier Mitarbeiter. Zwar sind die Umfänge mit einer halben bis maximal zwei Seiten erheblich kleiner als früher. Aber es gibt sie eben noch, diese Sonderseiten.

Eines hat sich hingegen nicht verändert, so scheint es: die Arbeit für uns Redakteure. Hintergrund: Die Seitenumfänge richten sich nach den verkauften Anzeigen. Wir müssen dann irgendwie dafür sorgen, das Ganze mit Inhalt zu füllen. Dabei sitzen uns gnadenlos der Redaktionsschluss und der Drucktermin im Nacken. Hinzu kommt: Die Ansprechpartner für eben jene Inhalte sind die Schützenvereine beziehungsweise die zuständigen Funktionsträger. Letztere wiederum sind ehrenamtlich tätig, haben einen Beruf und eine entsprechend andere Tages- und Wochentaktung.
Das alles zusammengenommen sorgt für redaktionelle Schwerstarbeit.

Wir mussten in der vergangenen Woche nicht nur insgesamt elf (!) Sonderthemen mit mehreren Seiten betreuen, sondern wir sind als kleine Redaktion mit zwei Mitarbeitenden auch dafür verantwortlich, den Lokalteil zu füllen. Zwar müssen wir keine eigenen Texte schreiben, sondern wir nutzen schon in der Tageszeitung erschienene Beiträge und Meldungen von Institutionen wie den Gemeinden im Verbreitungsgebiet. Doch auch dieses Material muss gesichtet, platziert und redigiert werden.

Einziger Trost in Sachen Sonderseiten: Schützenfeste gleichen sich irgendwie. Hin und wieder musste ich an den Running Gag aus den 90ern denken – von wegen einfach nur die Namen austauschen. Dies gilt irgendwie noch immer.