Bilder im Okkupationsmuseum in Tallinn aus sowjetischer Zeit. Foto: Buschmann

Die Sanktionen gegen Russland aufheben – immer wieder denken Politiker hierzulande darüber nach. Es schade auf Dauer gesehen der deutschen Wirtschaft, ist eines der Argumente. Wer so denkt in Litauen, Lettland und Estland denkt, erntet mindestens einen Blick voller Unverständnis, schlimmstenfalls gibt es böse Beschimpfungen. Das wiederum versteht der gemeine Deutsche nicht.
Wer nämlich das Verhältnis zu Russland verstehen möchte, der muss einen Blick in die Geschichte dieser Länder werfen. Sie feiern 2018 den 100. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Nach jahrhundertelanger Fremdbestimmung durch den Deutschen Orden, durch eine Deutsch sprechende Oberschicht und später den russischen Zaren wurden Estland, Litauen und Lettland erstmals in ihrer Geschichte im November 1918 souveräne Staaten.
Allerdings hielt diese Phase nur bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs: Durch den Hitler-Stalin-Pakt waren die drei kleinen Staaten – einmal mehr – sowjetisches Einflussgebiet. Die Rote Armee rückte ein. Ab Juni 1941 folgte ihnen die Wehrmacht. Und als die 1944/1945 geschlagen war, kamen die Stalinisten zurück. Was jetzt einsetze, war eine groß angelegte Russifizierung.
Dies fanden die baltischen Staaten logischerweise gar nicht witzig. Nach dem Untergang der Sowjetunion sprachen war es dort denn auch Konsens, dass die sowjetische Besetzung nun zu Ende sei – eine andere Lesart als die westliche: Bei uns heißt es stets, die baltischen Staaten hätten im Jahr 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt.
Interessant ist, dass dieses Geschichtsbild in den „Okkupationsmuseen“ in Tallinn, Riga und Vilnius vermittelt wird. Die Sowjetunion und heute Russland ist beziehungsweise sind bis heute der große Widersacher der Litauer, Letten und Estländer. Vor diesem Hintergrund spielt auch der Ukraine-Konflikt dort eine ganze andere Rolle. Beispiel Tallinn: Dort gibt es auch vier Jahre nach dem Einmarsch der „grünen Männchen“ auf der Krim und im Donbass regelmäßig Benefizkonzerte. Dies spielt speziell in der deutschen Betrachtung keine Rolle.