Nicole Giese-Kroner, künstlerische Leiterin des Syker Vorwerks, und Mitarbeiterin Claudia Bender, hatten viele Ideen zu „Knutschorten“. Foto: Buschmann

Auf Leute zugehen, anquatschen, Antworten aufschreiben, vielleicht noch ein Foto machen oder machen lassen – das ist das Wesen einer Straßenumfrage. Generationen von Journalisten wurden damit sozialisiert. Vor allem im Lokalen hatten Straßenumfragen ihren festen Platz, waren sie doch ein beliebtes Stilmittel um dem Volk aufs sprichwörtliche Maul zu schauen. Gleichzeitig waren Straßenumfragen ein beliebtes Mittel, sich mit dem Heimatort und der Lokalzeitung zu identifizieren.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Dies merkte ich erst vor einigen Wochen, als ich in Rotenburg Menschen zum Thema Frühlingsgefühle befragen wollte. So recht antworten wollten nur wenige. Einigen war es peinlich, andere argumentierten, sie hätten keine Zeit, wieder andere möchten sich einfach nicht in der Zeitung und später online sehen. Und mit Bild schon gar nicht.

Kein Interesse

Nicht nur in Rotenburg war es der Fall, auch in Syke. Zur Erinnerung: Am 6. Juli war Tag des Kusses. Also hatten wir uns in der Redaktion darüber Gedanken gemacht, wie wir das Thema umsetzen. Ich bekam den Auftrag eine kleine Straßenumfrage zum Thema zu machen. „Da werden sicherlich ein paar Leute ‚rumlaufen“, sagte eine Kollegin. Was stellte ich jedoch fest? In der Hauptstraße waren einige Leute unterwegs; doch die meisten hatten schlichtweg kein Interesse, mir zu diesem Thema eine Antwort auf meine Fragen zu geben. Übrigens ging es um „Knutschorte“.

Plan B im Kopf haben

Was also tun? Wer als Journalist heute auf die Straße geht, muss immer einen Plan B im Kopf haben. Meine Strategie lautet: Nicht nur Menschen im öffentlichen Raum befragen. Es ist sinnvoll, auch an anderer Stelle zu fragen. Ich suchte im Rahmen meiner Kusstag-Umfrage beispielsweise die Bürgerinformation des Syker Rathauses aus. Die Damen dort waren zwar gewillt, etwas zu sagen, doch gerade zum Thema Knutschorte, fiel ihnen eher nichts ein. „Ich bin mit meinem Mann schon 28 Jahre zusammen, wir knutschen nicht mehr“, meinte eine der freundlichen Damen lachend.

Glücklicherweise hatte ich einen vorhergehenden Termin im Rahmen des Syker Ferienprogramm im Vorwerk. Die dortige künstlerische Leiterin Nicole Giese-Kroner und ihre Mitarbeiterin Claudia Bender unterhielten sich ganz ungezwungen mit mir über Knutschorte. Das Thema war gerettet.

Die Weser soll für größere Schiffe ausgebaggert werden. Foto: Buschmann

Umwelt-Was? Umweltgerechtigkeit! Als mich meine Redakteurin der DEMO vor einigen Wochen bat, mir doch bitte über das Thema Gedanken zu machen, musste ich Grundlagenrecherche betreiben. Ehrlich gesagt: Ich hatte vorher von diesem Begriff gehört noch mich damit befasst. Inzwischen bin ich schlauer. Umweltgerechtigkeit hat das Umweltbundesamt in eine Definition gefasst und lässt sich hier nachlesen.
Themensuche
Das Wissen über Umweltgerechtigkeit heißt indes nicht, dies auch in ein griffiges Thema zu fassen. Ich überlegte hin und her, dann hatte ich es: Was ist eigentlich mit der Weser- und Elbvertiefung? Immerhin sind es in Bremen und Hamburg große Themen. Aber auch in Brake und Hannover, soweit es die Niedersachsen betrifft. Was ist mit den Folgen, die die Menschen entlang beider Flüsse zu tragen haben? Gehen durch die Vertiefungen vielleicht Existenzen kaputt? Müssen sich die Gemeinden an Elbe und Weser auf neue Lagen einstellen?
Meine Redaktion in Berlin gab grünes Licht und ich habe mich an die Recherche machen können – und die hat es in sich. So viel habe ich nach Gesprächen mit Betroffenen und Klägern, mit Umweltschutz-Verbänden und Kommunalpolitikern gelernt: Anstatt sich über eine gemeinsame Hafenstrategie Gedanken zu machen, sollen die beiden Flüsse auf Teufel komm heraus ausgebaggert werden.
Mulmiges Gefühl

Die Folgen für die Menschen an den Ufern treten in den Hintergrund. Was ist, wenn salzhaltigeres Wasser durch die höhere Fließgeschwindigkeit der Weser in die Marsch getragen wird? Was wird aus den Obstanbaugebieten im Alten Land? Was geschieht mit dem Gebiet um den Belumer Außendeich, das kein Vorland hat? Diese Fragen beschäftigen mich bei meiner Recherche und machen irgendwie ein mulmiges Gefühl.
Wie genau es sich damit verhält, ist nach den Sommerferien in der DEMOKRATISCHEN GEMEINDE zu lesen.