Und ewig grüßt der kleine Schmerz

Seit gut einem Jahr schaffe ich es, mich in den unmöglichsten Situationen des Alltags zu verletzen und mir zumindest wehzutun.

Buschmanns Kosmos mit Verbandszeug.

Meine Großmutter kannte mich schon ziemlich gut. „Ulf, Du bist aber auch ein kleiner Schussel“, pflegte sie zu mir zu sagen, wenn ich mir wieder einmal irgendwo den Kopf oder das Knie gestoßen hatte. Meine Oma lebt nun schon lange nicht mehr. Aber dass ich mir ein Körperteil stoße, kommt immer wieder mal vor. Gerade erst habe ich mir den Hinterkopf an der Dachschräge meines Pensionszimmers gestoßen. Am vergangenen Montag war es ebenfalls der Kopf. Aber daran waren andere Menschen Schuld: Der goldene Sternenbogen im Eingang des Cafés „Domschatz“ in Magdeburg war für meine 1,92 Meter schlichtweg zu niedrig.

Was einst meine Oma ins (Schmerz-) Stammbuch des kleinen Schussels Ulf schrieb, sind heute meine Freunde und Kollegen. Mit letzteren arbeite ich vertrauensvoll im Rahmen unseres Portals Nord West Reportagen zusammen. Ein Dreh im Schreibtischstuhl oder mal eben der Gang in die Küche, und einem meiner vier Mitstreiter kommt eine entsprechende Bemerkung über die Lippen: „Verletz‘ Dich nicht.“

Sehnenabriss auf dem Klo

Die Geschichte hinter dieser Sorge begann im Juni 2020: Ich musste ganz dringend zum Klo, bekam meine Hose nicht runter und verlor das Gleichgewicht. Als ich mich abstützte, klemmte ich mir den Finger dummerweise genau an einem Freitag gegen 17.17 Uhr zwischen Klobrille und -becken ein. Da das erste Glied des linken Mittelfingers danach merkwürdig schlaff herunterhing, entschied ich mich für einen Besuch der Notaufnahme des Klinikums Bremen-Nord.

Gegen 17.31 Uhr hatte ich mich angemeldet, etwa zwei Stunden später war ich an der Reihe, eine weitere Stunde später hatte ich die Diagnose Sehnenabriss, und bis der Arztbrief für die Weiterbehandlung bei meinem Orthopäden vorlag, dauerte es eine weitere Stunde. Der behandelnde, übrigens sehr nette, Arzt im Krankenhaus fragte mich noch, wie ich mir die Verletzung zugezogen hatte.

Als ich ihm den Vorfall schilderte, merkte ich, wie sich der arme Mann beherrschen musste, um nicht laut loszulachen. Auch die Pflegerin hinter ihrem Schreibtisch daneben drehte sich kurz zur Seite. Aber das nützte nichts, ich merkte wie sie sich fast vor lachen in die Hose machte. „Sie können ruhig lachen“, rief ich ihr beim Hinausgehen zu. Aus den Augenwinkeln sah ich noch, wie sie sich die Tränen aus den Augen wischte.

Mitleid und blöde Sprüche

Was in den Tagen darauf folgte, war eine Mischung aus Mitleid, extremer Belustigung gepaart mit Häme und allerlei dummen Sprüchen. „Oh man, Buschmann, Du bist so doof“, oder eine ähnliche Bemerkung ließ mein Kumpel Uwe los. Ein anderer Freund, als Altenpfleger mit einer besonderen Art von Humor ausgestattet, bot mir an, einen Dauerkatheter zu legen, damit ich mich nicht noch einmal auf dem Klo verletze.

Und meine Kollegen von den Nord West Reportagen? Bei der nächsten Videokonferenz war an so etwas wie eine Unterhaltung erst einmal nicht zu denken – alle mussten heftigst lachen. Zum Spaß aller durfte ich Ende Juli 2020 auch noch die Hauptrolle in unserem Promovideo spielen. Natürlich mit gut sichtbarem geschienten linken Mittelfinger im Bild.

Immer wieder ein Bums

Rückblickend erscheint mir der Freitag meines klotechnischen Sehnenabrisses wie eine Initialzündung: Ständig stoße ich mir seitdem etwas, natürlich in den unmöglichsten Lebenslagen. Ende vergangenen Jahres musste das sowieso schon kaputte linke Knie daran glauben, als ich beim morgendlichen Anziehen stolperte und gegen mein Bett flog. Im Frühjahr verbrannte ich mir die Finger an meiner heißen Pizza und so weiter.

Wenn ich es mir so recht überlege, haben meine Kollegen Daniela und Andree doch recht – sie empfahlen mir vor einigen Wochen, dass ich doch bitte Protektoren und einen Alltagshelm tragen solle. Aber ich glaube, so schusselig bin ich dann doch nicht! Oder doch?

Nachtrag: Ich bin zurzeit auf Reisen. Wie so oft, habe ich meinen Rasierapparat vergessen. Also: Nassrasur. Daher stammen die kleinen Blessuren zwischen Oberlippe und Nase.